Pressemitteilung zum Thema Antibiotikakontrollen landwirtschaftlich genutzter Tiere in Niedersachsen

 

Pressemitteilung

der Ärzte gegen Massentierhaltung,

des Deutschen Tierschutzbund - Landesverband Niedersachsen und

der Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft

 

Pressemitteilung zur Verlagerung der Antibiotikakontrollen auf die kommunale Ebene in Niedersachsen

 

„Antimicrobial resistance is a global crisis“

war eine der Kernaussagen 2016 auf der Sondersitzung der Vereinten Nationen zum Thema Antibiotikaresistenz.

Jährlich sterben global 700.000 Menschen an multiresistenten Keimen. In der EU sind es 33.000 Menschen, in Deutschland 2000. Tendenz steigend! (19, 20, 21)

Es gibt keinen Grund Antibiotikaresistenzen in der Bedeutung für die menschliche Gesundheit weniger Aufmerksamkeit zu widmen als z.B Covid -19.

Der Unterschied liegt nicht in der Gefahrenlage, sondern nur in der Geschwindigkeit der Ausbreitung bzw. in unserer Wahrnehmung.

Die Gefahr durch Antibiotikaresistenzen kommt schleichend daher und nicht mit der Wucht einer Viruspandemie.

Sie ist aber nicht minder bedrohlich, weil die moderne Medizin, wie wir sie für Mensch und Tier täglich in Anspruch nehmen, ohne wirksame Antibiotika nicht möglich ist.

So werden nach wie vor besonders in der Geflügelmast hohe Mengen an Colistin, einem der wichtigsten Antibiotika mit höchster Priorität (laut WHO) für den Menschen, eingesetzt.

Der Evaluationsbericht der Bundesregierung (Mai 2019) über den Erfolg der Antibiotikaminimierungsstrategie macht deutlich, dass eben nicht bei allen Tierarten der gewünschte Erfolg zu verzeichnen ist (Hühner, Puten und Kälber unverändert hoch).

Es bleibt noch viel zu tun, denn jede Gabe von Antibiotika erhöht das Risiko der

Resistenzentstehung.

Für Niedersachsen kam es von 1.014 Tonnen Gesamtmenge in der Tiermast eingesetzter Antibiotika im Jahr 2011 zu einer Reduktion auf 386 Tonnen im Jahr 2019.

Hiervon wurden allein 276 Tonnen im Postleitzahlenbereich 49, nämlich in der Nutztier-intensivsten Region Deutschlands eingesetzt.

Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass nach wie vor Haltungsbedingungen und Besatzdichten in der Tiermast ausschlaggebend für die Verwendung von Antibiotika bei landwirtschaftlich genutzten Tieren sind.

Die deutliche Mengenreduktion, auch wenn mit den reinen Mengenangaben der vermehrte Einsatz sog. Reserveantibiotika verschleiert wird, ist auf die Gesetzgebung einerseits (16.Novelle AMG, seit 2014 in Kraft) und durch die in Niedersachsen eigens für die Umsetzung, Kontrollen und Fachberatung eingesetzten fachkompetenten Tierärzte andererseits zurückzuführen.

Insbesondere die Zuordnung des Fachpersonals zur Landesregierung (LAVES) , die eine größere Unabhängigkeit von den Interessen der landwirtschaftlichen Tierhalter garantiert, als das in Kommunalbehörden der Fall ist, sowie die ausschließliche Bearbeitung dieses speziellen Aufgabenbereiches hat sich als Erfolgsrezept herausgestellt.

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast will nun die wichtige Aufgabe der Antibiotikakontrollen von der Landesebene zu den kommunalen Behörden verlagern. Erfolgreiche Arbeit belohnt das Ministerium also damit, dass es sie einfach durch einen fragwürdigen Aufgabentausch auf eine andere Ebene hebt (Statt der Antibiotikakontrollen soll das LAVES nun die Tierversuchslabore und die Zirkustiere kontrollieren).

Diesen Plan halten wir für völlig falsch, denn bereits jetzt sind die kommunalen Veterinärämter sowohl personell, als häufig auch fachlich mit der Kontrolle landwirtschaftlicher Betriebe überfordert.

Statistisch gesehen werden deshalb landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen nur alle 20 Jahre (Antwort der Landesregierung auf Anfrage durch die Grünen) routinemäßig kontrolliert.

Hier sollte gelten „never change a winning team“.

Weiterhin muss die im Rahmen der gesellschaftlichen Gesundheitsvorsorge so wichtige Antibiotikaminimierung Chefsache (Sache der Landesregierung) bleiben. Dies gilt umso mehr, als dass ab Januar 2022 drei neue EU-Verordnungen (2019/4, 2019/5 und 2019/6) gültig werden und umzusetzen sind.

Diese sehen strikte Vorgaben im Hinblick auf die Gabe/ Reduzierung von Antibiotika vor.

 

Zu den erklärten Zielen gehören:

-höchstes Maß an Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt

-Verringerung antimikrobieller Resistenzen

- kein Einsatz von Antibiotika zum Ausgleich mangelhafter Haltungsbedingungen

- nur in bestimmten Ausnahmefällen Anwendung zur Metaphylaxe in der Tiermast

 

Ziel muss der komplette Ausstieg aus der metaphylaktischen Behandlung ganzer Tierbestände sein. Unerlässlich ist deshalb die Verringerung des Infektionsrisikos für die Tiere.

Während bei SARS-CoV-2 für uns Menschen „social distancing“ für unerlässlich erklärt wird, vernachlässigt man diese Prinzipien in der landwirtschaftlichen Tierhaltung völlig, indem man Tiere auf engstem Raum zusammenpfercht, sie ständigem Kotkontakt aussetzt und durch physischen und psychischen Stress ihr Immunsystem schwächt.

Paradoxerweise wird in solchen Tierhaltungssystemen mit hohem Infektionsrisiko der Antibiotikaeinsatz tierschutzrelevant.

Um eine notwendige weitere Reduktion erreichen zu können, geht es deshalb neben fachkompetenter und engmaschiger Kontrolle auch um die grundsätzliche Änderung von Tierzucht und -haltung.

Diese dringlichen Aufgaben können örtliche Veterinärämter im Tagesgeschäft nicht auch noch leisten.

 

 

 

Ärzte gegen Massentierhaltung e. V.

 

Deutscher Tierschutzbund - Landesverband Niedersachsen e. V.

 

Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e. V.

 

 

 

Dr. Claudia Preuß-Ueberschär

 

 

 

Anmerkungen 19, 20, 21 in

„Haben Tiere Rechte“ One Health – Gefahren durch Antibiotikaresistenzen, Bundeszentrale für politische Bildung, S.184-190, ISBN: 978-3-7425-0450-0

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0